Archive | January 2011

FAQ für Babys

Heutzutage braucht man eigentlich auch nicht seinen Wohnraum mit Büchern zustellen, man kann auch einfach googeln. Werdende Mütter geben als häufigstes Wort „schwanger+ XYZ“ ein. So hab ich zum Beispiel nach folgenden Dingen gesucht: Schwanger+Trockenfrüchte, Schwanger+Haare färben, Schwanger+Sport, Schwanger+Ananas, Schwanger+Kaffee, Schwanger+Honig, um nur einige Suchanfragen aus meiner Google-Suchchronik  zu zitieren. Nach der Geburt wird dann Schwanger+xyz  durch Baby(+x Monate) +xyz  ersetzt. Zum Beispiel „Baby + 2 Monate + weint bei Papa, Baby allein einschlafen, Baby Zahnen Dauer, Baby 4 Monate immer müde, Baby kein Stuhl, Baby Rillen auf Fingernägeln. Und das witzige ist, dass man zu allen diesen Begriffen auch tatsächlich ebensolche Fragen in Elternforen, Arztsprechstunden, Baby-Communities und dergleichen findet. Sooo abwegig kann also die eigene Frage gar nicht sein. Vielleicht sollte man einfach mal eine Website mit den wichtigsten Schwangeren- und Baby-FAQs erstellen. Es gibt offenbar keine dummen Fragen – und auch die Antworten sind nicht dumm. So wird das das ganze Leben weitergehen, eigentlich ist quasi das ganze Leben schon durch Google vorgeprägt. Die häufigsten Sucheinträge in Lenes Entwicklung: Kleinkind + Trocken werden, Kindergartenkind + Mumps, Schulkind + Bauchweh, Teenager + Pickel, Student + Partys, Absolventin + Job, Schwanger + ….

Und schon beginnt der Kreislauf von vorn. Google sei Dank!

Die Promis im Kind

Kennen Sie Stan? Stan ist der Bestatter aus dem Computerspiel „Monkey Island“, der beim Reden immer hektisch mit  den Armen gestikuliert. Was Stan mit unserer Tochter zu tun hat? Er ist einer der Persönlichkeiten aus dem Zeitgeschehen, den Medien, aus Film, Funk und Fernsehen, die ich manchmal in Lene wieder erkenne. Den Stan gibt sie am liebsten zur Schlafenszeit. Eben noch haben die zufallenden Äugelein Hoffnung gemacht, dass ein anstrengender (aber natürlich auch schöner) Tag mit dem Kindchen sich dem Ende neigt. Ihr Atem wird ruhiger, das Nuckeln am Schnuller langsamer… doch DANN reißt sie die Augen auf und die kleinen Händchen flitzen nur so umher! Es scheint fast so, als wolle sie den bösen Schlaf durch ihr Rumfuchteln vertreiben. Vielleicht will sie uns dadurch aber auch einfach nur erzählen, wie aufregend der Tag schon wieder war.

Wenn Lene Hunger hat, verwandelt sie sich in Jens Maul. Das ist der „förschderlisch“ sächselnde Darth Vaider in der Komödie „Traumschiff Surprise“, der sich dadurch auszeichnet, dass er das Kinn bis zum Anschlag vorschiebt, sodass es – sofern das im Weltraum möglich ist – reinregnen würde. Auch bei Lene könnte es dann rein regnen. Der einzige Unterschied zu Jens Maul ist, das Lene nicht sächselt (und dabei bleibt es hoffentlich dank guter Erziehung für den Rest ihres Lebens), sondern aus ihrem Mund herzzerreißende Schluchzer kommen, sodass ich mich wieder einmal so richtig schön schlecht fühle, wenn ich die Tankstellen nicht flott genug eröffne.

Wenn Lene so richtig sauer ist und weint, sackt sie in sich zusammen, das Köpfen fällt nach vorn und die Backen sind puterrot. Sie sieht aus wie ein ganz und gar mit der Welt unzufriedener Budda. Von Glücksseligkeit keine Spur, dafür wohl eher von Müdigkeit oder allgemeinem Angenervtsein.

Komischerweise lässt sie sich oft durch ein kleines Wickel-Intermezzo beruhigen, bei dem sie gleich mehrfach in der Kategorie der Promi-Imitation punktet. Hier kommt es nämlich zu einem Rascheln, Rauschen, Quietschen und Fiepen wie bei einer Mischung aus einem Gremlin, der Sendersuche beim Radio und dem StarWars-Roboter R2D2.

Wenn ich Lene ins Bett bringe, dann ist sie aber irgendwann einfach nur sie selbst. Und wenn sie dann auch noch mit einem Lächeln auf den Lippen einschläft, dann weiß ich, dass ich auch heute in diesem ganzen Promi-Wahn alles richtig gemacht habe.

Wie Lene den Papa zum Frauenheld macht

Frauen lieben kinderliebe Männer. Ich glaube, das ist ein Urinstinkt. Beim Spaziergang in Familie bekomme ich diese Annahme auch immer wieder bestätigt.

Nun haben wir ja auch mit knalligem Türkis nicht gerade eine unauffällige Farbe für unser Tragetuch gewählt. Nicht nur stabil, ohne Schadstoffe und biologisch abbaubar soll es bestenfalls laut Ratgeber sein, sondern auch modisch. Also wählte ich – ohne je einen solchen Ratgeber gelesen zu haben – instinktiv ein 4,60 Meter langes Tragetuch in Türkis. Ich als Frau kann damit höchstens noch bei uns im Südosten Leipzigs Blicke auf mich ziehen, denn in den uns umgebenden Stadtteilen Reudnitz und Stötteritz trägt man sein Kind nicht, sondern schiebt es traditionell am besten im schwarz-rot-goldenen Kinderwagen  umher. Ich glaube, dass ich in den vergangenen Monaten hier zum Trendsetter avanciert bin, denn die Nachfrage ist wohl im hier ansässigen Second Hand-Shop für Kindermode gestiegen, erklärte mir letztens die Verkäuferin.

In Stadtteilen wie Schleußig oder Plagwitz, die im Leipziger Volksmund auch Bio-Biedermeier genannt werden, ist es hingegen mittlerweile Usus, sich sein Kind vor den Bauch, auf den Rücken oder um die Hüfte zu schnallen oder zu wickeln. Unzählige Wickelmethoden kann man hier beobachten, die ich bisher nur aus dem Begleitheft unseres eigenen Tragetuchs kannte.

Wenn nun also mein liebster Nico unser Lenchen nach der einen, von uns als am praktischsten befundenen Wickelmethode und mit stolz geschwellter Brust vor sich her trägt, sind alle Augen auf ihn gerichtet – nicht nur die der Kinderwagenschieber(innen), sondern erstaunlicherweise die von Frauen, die gar kein Kind bei sich haben. Ich glaube, ein Kind wird in solch einer Situation zu einem Flirt-Accessoire ähnlich wie ein Hund. Schamlos drehen sich die Damen nach ihm um oder lächeln ihn gar an – und das obwohl ihnen doch bewusst sein muss, dass es zu dem Kind bereits eine Mama gibt, die rein zufällig auch noch an der Hand des Lenchenträgers hängt. Und was macht er? Gibt vor, es gar nicht zu bemerken. Spielt den verschüchtert Geschmeichelten. Und meint zu allem Überfluss noch: „Die gucken doch nur wegen der schönen Farbe rüber.“ Genau.

Erst machen, dann lesen

Wenn man ein Kind erwartet, wird man von Literatur beinahe erschlagen. Auch ich habe einige dieser Bedienungsanleitungen im Schrank stehen, die mir von wohlwollenden Bereits-Mamis irgendwann einmal überreicht wurden. Seit Lene da ist, hab ich mir angewöhnt, sie zu lesen. Allerdings meist erst immer im Nachhinein. Es ist irgendwie beruhigend, schwarz auf weiß zu lesen, dass man wieder mal alles richtig gemacht hat – oder auch erhellend, zu erfahren, was man hätte tun können, um das stundenlange Protestgeschrei letztens eventuell zu vermeiden. Letztens hab ich durch Zufall einen Erfahrungsbericht einer Frau von der Geburt ihres Kindes gelesen. Darin schwärmte sie regelrecht von diesem Ereignis, erzählte, wie sie jede Wehe mit einem freudigen „Maaaah“ begrüßte. Insgesamt sei diese Geburt ein besonders schönes Erlebnis für alle Beteiligten gewesen. Man, wie gut, dass ich diesen Bericht nicht schon vor Lenes Geburt gelesen habe! Sonst hätte ich die gesamten zwölf Stunden im Kreissaal vielleicht nur auf die Luftballons, Blumen und den Alleinunterhalter gewartet.   Auf tolles Essen, einen Erdbeer-Prosecco und nette Gespräche mit Freunden. Darunter stelle ich mir nämlich ein schönes Erlebnis vor. Die Begriffe „schön“ und „Geburt“ in einem Satz zu nennen, zeugt hingegen doch eher von Wahrnehmungsstörungen, ausgelöst durch eine Überdosis Schmerzmittel. Oder würden Sie, liebe Mamis, beim Gedanken an die Geburt ihres ersten Kindes „Jaaaaaaaaaa, nochmaaaal“ rufen, wie nach einer nervenkitzelgeladenen Achterbahnfahrt? Doch die wahren Erlebnisse unter der Geburt schon vorweg zu greifen, ist auch nicht gerade schlau. Nungut, dann eben doch erst hinterher lesen, welchen Spaß man nicht hätte verpassen wollen.

Das Windel-Komplott

Ich bin einer Verschwörung auf der Spur. Einer Verschwörung, wie sie ausgebuffter nicht sein könnte. Einem Komplott der Windelproduktions- und der Waschmittelindustrie. Die Anzeichen dafür zeigen sich einer frisch gebackenen, halbwegs cleveren Mama relativ schnell. Denn ist die Windel voll, wird der Body darüber meist auch noch in Mitleidenschaft gezogen. Das Mysteriöse: Die Windel  hat nur einen kleinen Fleck, der Body hingegen einen umso größeren, an einer interessanten Stelle: am Rücken!  Das wirft Fragen auf: Funktioniert die Verdauung unseres Kindes und vor allem das Ausscheiden seiner  Endprodukte vielleicht anders als bei anderen Kindern? Oder haben wir das mit dem Windeln doch noch nicht richtig kapiert? Der Wäscheberg wächst täglich, das 95-Grad-Programm hat Hochkonjunktur. Und das Tollste: Selbst damit gehen die Flecken nicht immer vollständig heraus, sodass in Zukunft gelbe Bodys von Vorteil wären.

Dabei habe ich die Lösung schon gefunden. Sie muss nur noch umgesetzt werden. Windeln, die hinten bis zum Hals reichen. Ich sollte es als Patent anmelden. Klingt komisch, aber alle jungen Mamis und Papis wären mir dankbar für diese Erfindung. Nur die Waschmittelindustrie wäre beleidigt – um nicht zu sagen: angesch…

Der Schlaf der (Un-)Gerechten

Der kindliche Schlaf ist schon erstaunlich. Vor allem erstaunlich vielseitig. Heute beim Kinderarzt hat sich Lene nicht von den Sörens, Chantals und Jaquelines stören lassen, die die Wickelkommode, auf der ich das Kind gerade seiner Klamotten entledigen musste, als Versteck nutzten. Schranktür auf, Schranktür zu – rums! Die ganze Kommode wackelt. Lene schläft den Schlaf der Gerechten. Kleine Menschlein jeglichen Alters krabbeln, wuseln, kriechen, stampfen krakeelend durch das Wartezimmer (nebenbei erwähnt erstaunt es mich, wie viel Energie in kranken Kindern steckt). Mein Kind krakeelt nicht. Es schläft.

Lene scheint im Schlaf jedoch einen geheimen Sensor zu haben. Ich nenn ihn den Klo-Sensor. Sie kann zu Hause ebendiesen Schlaf der Gerechten schlafen. Doch sobald ich diese Ruhe nutze, um meinen doch derzeit etwas zurückgestellten menschlichen Bedürfnissen nachzugehen, erwacht sie. Wenn ich die Hosen runter und den Klodeckel hochgeklappt hab und es mir gerade auf der Brille gemütlich gemacht habe, höre ich aus dem Nebenzimmer, wo sie eben noch friedlich an Papis Schultern gekuschelt hat, schon das gefürchtete Geräusch. Zuerst ein einsilbiges „Äh“, dann ein „äh äh“ und dann ein an Husten erinnerndes „Äch äch äch“, bevor es so richtig los geht. Da hilft nur: Anhalten oder schnell durchziehen. Ich kann meine Bedürfnisse schließlich zurückschrauben, dazu bin ich Mama.

Das interessanteste Phänomen des kindlichen Schlafs zeigt sich jedoch abends, wenn Lene ins Bett soll. Sie, die kurz zuvor noch schlaftrunken an Papas oder Mamas Schulter gekuschelt hat, ist, sobald sie im Bett liegt, vor allem eines: Hellwach! Die Augen so groß, dass sie bei Wikipedia exemplarisch unter dem Stichwort „Kindchenschema“ zu finden sein könnten. Und das bleiben sie auch, selbst wenn schon beide Brüste leer getrunken sind. Aber so klein Lene ist, eines muss man ihr lassen. Sie ist clever. Macht mir Hoffnungen, den Ende des Abends doch noch mit sinnlosen Dingen wie mit Nico allein den Tag Revue passieren lassen, Wäsche aufhängen, Mails beantworten oder meine Baby-Erlebnisse niederschreiben verschwenden zu können. Denn ihre Augen fallen zu. Erst ist es nur ein kleines Zwinkern. Dann bleiben sie schon einen ganzen Moment lang geschlossen. Doch schon spielt Lene die Erschrockene und strahlt mich wieder mit an. Dieses Spiel kann man gefühlte Stunden lang spielen. Doch irgendwann ist es soweit – die Augen bleiben zu! „Endlich Freizeit! Endlich Zeit für mich, die Wäsche, den Partner, das Internet“, denke ich, schalte das Babyphon ein und schicke mich an, das Schlafzimmer zu verlassen. Doch da geschieht es: Beim Rückzug knarkst das neue, megateure Bett, in dem unser Schatz am Anfang seines Lebens noch nächtigen darf! DAS war´s! Zwei Stunden harte Arbeit sind dahin! Die Telleraugen sind selbst in der Dunkelheit und ohne Brille (hab ich im Bett vergessen) zu erkennen. Ich leg mich wieder dazu und freue mich, dass es gesund ist. Und wünsche mir sehnlichst nur eines zurück: Ihren Schlaf der Gerechten aus der Kinderarztpraxis.